Der Begriff Chinoiserie beschreibt das westliche Faible für asiatisch oder zumindest asiatisch beeinflussten Einrichtungsstil, und schließt nicht nur Wandbekleidung ein, sondern ebenfalls Porzellan, Möbel und andere Einrichtungsgegenstände.
Interessanterweise ist die wunderschöne Wandbekleidung, die heutzutage international als „Chinese wallpaper“ und zum Moment ihrer Entstehung als „India papers“ bezeichnet wurde, keine einfache Exportware, sondern speziell für den europäischen Markt entwickelt. Als eines der ersten erfolgreichsten globalen Produkte ist sie ein wichtiger Bestandteil der europäischen Einrichtungen seit über drei hundert Jahren und bleibt bis heute ein beliebtes Dekorationselement.
Im siebzehnten Jahrhundert hat der Handel zwischen Europa und China floriert. Bestimmte Gegenstände asiatischen Ursprungs, wie Porzellan, Möbel und Seide waren heiß begehrt, nicht nur aufgrund ihrer Qualität, sondern auch wegen der schicken Aufmachung und schönen Farben. Schiffskommandanten der East India Company durften einige Güter für den privaten Gebrauch einführen. Überwältigt von der exotischen Schönheit, entwickelten Europäer ein starkes Interesse an der chinesischen Kunst und dem Design, insbesondere am Erscheinungsbild mit Vögeln und Blumen („bird-and-flower“).
Zuhause wurde die chinesische Wandbekleidung von den Decorateuren dem europäischen Interieur angepasst, indem die gelieferte Ware zerschnitten und wieder zusammengesetzt wurde, um eine Symbiose zwischen der bestehenden Einrichtung und dem exotischen Neuzugang zu erreichen. Installiert wurden diese ursprünglich in Räumen des privaten Gebrauchs, z.B. Schlafzimmer oder Salons.
Eine der ersten dekorativen Wandbekleidungen aus China wurde in 1752 eingeführt und installiert. Sie befindet sich heute in Felbrigg Hall* in Norfolk.
Zunächst muss man anmerken, dass chinesische Wandbekleidung über alle Maße romantisiert wurde. So ging man davon aus, dass diese ausschließlich handgemalt waren. Dennoch waren die ersten eingeführten Exemplare Holzdruck auf Papier, die mit Farben, z.B.Tinte, von Hand ausgemalt wurden, und ebenfalls weitere Details, wie Grashalme oder ähnliches, hinzugefügt wurden, um das Erscheinungsbild so realistisch wie möglich zu gestalten.
Die häufige Verbreitung der gleichen Motive, insbesondere gleich bedruckte Bahnen, die in unterschiedlichen Anwesen installiert wurden, lassen die Vermutung zu, dass die Ware von der gleichen Werkstatt in China produziert wurde. Um dennoch einen individuellen Eindruck zu vermitteln, hat man diese unterschiedlich zugeschnitten und arrangiert.
Die um 1750 entstandene, mit Vögel- und Blumenmotiven bedruckte Wandbekleidung wurde ab 1760 von handbemalten Exemplaren abgelöst. Das Erscheinungsbild blieb ähnlich. Es ist nicht ganz klar, warum auf einmal komplett von Hand bemalt wurde. Man kann vermuten, dass die Wettbewerbsproduktion in Europa für diese Änderung gesorgt hat, sodass die in China produzierte Ware immernoch ein luxuriöseres Produkt als europäische Nachahmer darstellte.
Die Abbildung des mystischen Phoenix aus Cobham Hall
Ende des 18. Jahrhunderts, um das Produkt weiterhin dem europäischen Einrichtungstrend anzupassen und das Interesse der Kundschaft nicht zu verlieren, erweiterte man das Design des Gartens um weitere Elemente, wie etwa Blumenvasen, Vogelkäfige etc. Außerdem nutzte man nun die Kontrastwirkung, indem die handbemalte Wandbekleidung helles Geäst und Blumen auf farbigem Untergrund zeigte.
Es wurden zudem immer kräftigere Farben für den Hintergrund verwendet und bestimmte Elemente besonders betont, wie z.B. große Felsbrocken sowie zusätzliche Farben am Boden in der Wandbekleidung in Penrhyn Castle*, Gwynedd.
Lower India Room in Penrhyn Castle
Für das öffentliche Interesse an dieser Stilrichtung sorgte Prince of Wales, indem er das Royal Pavillion mit mehreren Exemplaren ausstatten ließ (ab 1816). Diesmal war die Wandbekleidung nicht nur in privaten Räumen installiert, sondern in öffentlich genutzten, wie die Eingangshalle oder die Empfangsräume.
State Dressing Room in Penrhyn Castle
Chinese Bedroom in Belton House
Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die Faszination für chinesische Wandbekleidung ebenfalls die USA, wo neureiche Industrielle diese Art der Dekoration einsetzten. Währenddessen entstand in Großbrittanien ein Markt für Nachahmungen, die sich angeblich von den Originalen nicht unterschieden und manchmal als solche verkauft wurden. Die alten Originale fanden sich in Auktionshäusern wieder.
Die exotischen Motive der Wandbekleidung dienten außerdem als Designinspiration für diverse inländischen Produkte, wie Stoffe für Textilien, z.B. Möbelbezüge, Vorhänge etc.
Nun, die exportierten Wandbekleidungen bestanden ursprünglich aus drei Lagen, zwei dünne aus Sandelholz o.ä. und einer dicken Schicht Bambuspapier, um sie zu stabilisieren. Damit die Bekleidung robust ist und lange überdauert, befestigte man sie an einer Art Leinwand, dennoch wurden sie manchmal direkt an die Wand bzw.Holzvertafelung geklebt.
Heute, wenn man diese Art Wandbekleidung findet und erwerben möchte, sieht man diverse Ausführungen: Auf Seide, auf Blattmetal, mit bestickten Elementen etc. In der geschichtlichen Entwicklung lässt sich nichts dazu finden**, aber es wäre ja langweilig und nicht klug, wenn man nicht auf den modernen Bedarf nach bunt, glänzend und schick reagiert.
Auch unsere Herstellung hat ihre eigenen Elemente, mehr dazu in Produktinformationen .
*Die Anwesen befindet sich in der Obhut von National Trust. Die Bilder wurden mit freundlicher Genehmigung von National Trust verwendet.
**Die Fakten zur geschichtlichen Entwicklung stammen aus Emile de Bruijn‘s „Chinese wallpaper in Britain and Ireland“.