DE  /  EN

Was ist Chinoiserie?

Den Begriff Chinoiserie hört und sieht man sehr häufig im Zusammenhang mit wunderschönen Tapeten, die mit Vögel und Pflanzen so sehr nach paradiesischen Gärten aussehen. Chinoiserie ist der neue Trend. Aber was genau ist denn Chinoiserie? Die Bezeichnung für Wanddekoration? Die Tapeten-Marke?  

Lasst uns einen genauen Blick darauf werfen und in die Geschichte der Faszination für das exotische Design eintauchen.

Die Definition

Der Begriff Chinoiserie beschreibt das westliche Faible für asiatisch oder zumindest asiatisch beeinflussten Einrichtungsstil, und schließt nicht nur Wandbekleidung ein, sondern ebenfalls Porzellan, Möbel und andere Einrichtungsgegenstände.

Interessanterweise ist die wunderschöne Wandbekleidung, die heutzutage international als „Chinese wallpaper“ und zum Moment ihrer Entstehung als „India papers“ bezeichnet wurde, keine einfache Exportware, sondern speziell für den europäischen Markt entwickelt. Als eines der ersten erfolgreichsten globalen Produkte ist sie ein wichtiger Bestandteil der europäischen Einrichtungen seit über drei hundert Jahren und bleibt bis heute ein beliebtes Dekorationselement.

Die Entstehung 

Im siebzehnten Jahrhundert hat der Handel zwischen Europa und China floriert. Bestimmte Gegenstände asiatischen Ursprungs, wie Porzellan, Möbel und Seide waren heiß begehrt, nicht nur aufgrund ihrer Qualität, sondern auch wegen der schicken Aufmachung und schönen Farben. Schiffskommandanten der East India Company durften einige Güter für den privaten Gebrauch einführen. Überwältigt von der exotischen Schönheit, entwickelten Europäer ein starkes Interesse an der chinesischen Kunst und dem Design, insbesondere am Erscheinungsbild mit Vögeln und Blumen („bird-and-flower“).

Zuhause wurde die chinesische Wandbekleidung von den Decorateuren dem europäischen Interieur angepasst, indem die gelieferte Ware zerschnitten und wieder zusammengesetzt wurde, um eine Symbiose zwischen der bestehenden Einrichtung und dem exotischen Neuzugang zu erreichen. Installiert wurden diese ursprünglich in Räumen des privaten Gebrauchs, z.B. Schlafzimmer oder Salons.

Eine der ersten dekorativen Wandbekleidungen aus China wurde in 1752 eingeführt und installiert. Sie befindet sich heute in Felbrigg Hall* in Norfolk.

Zunächst muss man anmerken, dass chinesische Wandbekleidung über alle Maße romantisiert wurde. So ging man davon aus, dass diese ausschließlich handgemalt waren. Dennoch waren die ersten eingeführten Exemplare Holzdruck auf Papier, die mit Farben, z.B.Tinte, von Hand ausgemalt wurden, und ebenfalls weitere Details, wie Grashalme oder ähnliches, hinzugefügt wurden, um das Erscheinungsbild so realistisch wie möglich zu gestalten.

Die Wandbekleidung in Felbrigg Hall zeigt Vögel und Blumen. Solche Komposition ist sehr häufig anzutreffen und entstammt einer langjährigen chinesischen Tradition der malerischen Darstellung, indem die Motive mit Pflanzen und Lebewesen menschliche Eigenschaften symbolisierten. So haben die Vögel symbolische Bedeutung, wie etwa Fasane, die für Schönheit stehen.   

Das Besondere an den ersten Exemplaren ist, dass jede Tapetenbahn ein separates Design aufzeigt, wobei mehrere Bahnen nebeneinander doch ein harmonisches Bild ergeben.

Ein Fragment der Tapete aus Felbrigg Hall in Norfolk

Die häufige Verbreitung der gleichen Motive, insbesondere gleich bedruckte Bahnen, die in unterschiedlichen Anwesen installiert wurden, lassen die Vermutung zu, dass die Ware von der gleichen Werkstatt in China produziert wurde. Um dennoch einen individuellen Eindruck zu vermitteln, hat man diese unterschiedlich zugeschnitten und arrangiert.

Der Wandel im Laufe der Zeit 

Die um 1750 entstandene, mit Vögel- und Blumenmotiven bedruckte Wandbekleidung wurde ab 1760 von handbemalten Exemplaren abgelöst. Das Erscheinungsbild blieb ähnlich. Es ist nicht ganz klar, warum auf einmal komplett von Hand bemalt wurde. Man kann vermuten, dass die Wettbewerbsproduktion in Europa für diese Änderung gesorgt hat, sodass die in China produzierte Ware immernoch ein luxuriöseres Produkt als europäische Nachahmer darstellte.

Es wurde weiterhin starke Symbolik eingesetzt, mit Darstellungen eines Phoenix, wie auf der Wandbekleidung von 1773 aus Cobham Hall*, der für größte Schönheit und Erfolg steht.   

Auf eine Weiterentwicklung deuten Stilisationselemente hin, in Form von Blumen in unterschiedlichen Farben, die am selben Busch wachsen, was in der Natur zwar nicht vorkommt, aber zur Farbenvielfalt der Komposition beiträgt.  

Die Abbildung des mystischen Phoenix aus Cobham Hall

Ende des 18. Jahrhunderts, um das Produkt weiterhin dem europäischen Einrichtungstrend anzupassen und das Interesse der Kundschaft nicht zu verlieren, erweiterte man das Design des Gartens um weitere Elemente, wie etwa Blumenvasen, Vogelkäfige etc. Außerdem nutzte man nun die Kontrastwirkung, indem die handbemalte Wandbekleidung helles Geäst und Blumen auf farbigem Untergrund zeigte.

Es wurden zudem immer kräftigere Farben für den Hintergrund verwendet und bestimmte Elemente besonders betont, wie z.B. große Felsbrocken sowie zusätzliche Farben am Boden in der Wandbekleidung in Penrhyn Castle*, Gwynedd.

Lower India Room in Penrhyn Castle

Für das öffentliche Interesse an dieser Stilrichtung sorgte Prince of Wales, indem er das Royal Pavillion mit mehreren Exemplaren ausstatten ließ (ab 1816). Diesmal war die Wandbekleidung nicht nur in privaten Räumen installiert, sondern in öffentlich genutzten, wie die Eingangshalle oder die Empfangsräume.

Nach und nach, spätestens ab den frühen 1830ern, gehörte chinesische Wandbekleidung zu üblichen Dekorationselementen in Großbritannien, nicht länger ausschließlich in Kombination mit weiteren exotischen Einrichtungsgegenständen. Es fand wieder eine Wandlung des Erscheinungsbilds statt. Es wurden starke, bunte Farben benutzt sowie Schattierungen um das Bild realistisch zu gestalten, wie auf der Dekoration im State Dressing Room von Penrhyn Castle*.

State Dressing Room in Penrhyn Castle

Zusätzlich nutzte man vorwiegend Bambus als Pflanze, auch übermäßig kleine Menschenfiguren, die sehr sorgfältig gemalt waren, wie beispielsweise auf Wanddekoration im Chinese Bedroom in Belton House* von 1840.

Chinese Bedroom in Belton House

Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die Faszination für chinesische Wandbekleidung ebenfalls die USA, wo neureiche Industrielle diese Art der Dekoration einsetzten. Währenddessen entstand in Großbrittanien ein Markt für Nachahmungen, die sich angeblich von den Originalen nicht unterschieden und manchmal als solche verkauft wurden. Die alten Originale fanden sich in Auktionshäusern wieder.

Die exotischen Motive der Wandbekleidung dienten außerdem als Designinspiration für diverse inländischen Produkte, wie Stoffe für Textilien, z.B. Möbelbezüge, Vorhänge etc.

Und was ist mit dem Material und der Installation, fragt ihr? 

Nun, die exportierten Wandbekleidungen bestanden ursprünglich aus drei Lagen, zwei dünne aus Sandelholz o.ä. und einer dicken Schicht Bambuspapier, um sie zu stabilisieren. Damit die Bekleidung robust ist und lange überdauert, befestigte man sie an einer Art Leinwand, dennoch wurden sie manchmal direkt an die Wand bzw.Holzvertafelung geklebt.

Heute, wenn man diese Art Wandbekleidung findet und erwerben möchte, sieht man diverse Ausführungen: Auf Seide, auf Blattmetal, mit bestickten Elementen etc. In der geschichtlichen Entwicklung lässt sich nichts dazu finden**, aber es wäre ja langweilig und nicht klug, wenn man nicht auf den modernen Bedarf nach bunt, glänzend und schick reagiert.

Auch unsere Herstellung hat ihre eigenen Elemente, mehr dazu in Produktinformationen .

*Die Anwesen befindet sich in der Obhut von National Trust. Die Bilder wurden mit freundlicher Genehmigung von National Trust verwendet.
**Die Fakten zur geschichtlichen Entwicklung stammen aus Emile de Bruijn‘s „Chinese wallpaper in Britain and Ireland“.